Bremens ältestes Fischfachgeschäft F.L. Bodes hat eine 160-jährige Tradition.
Der Wind pfeift durch die Bischofsnadel – das Nadelöhr zwischen Wallanlagen und Bremer Altstadt. Geduldig stehen die Kunden vor dem Laden F.L. Bodes Schlange. In der eisigen Auslage glitzern Muscheln, gebeizter Lachs, Algen und Austern. Die in grüne Schürzen gehüllten Expertinnen und Experten hinter dem Verkaufstresen des Fischhändlers lassen sich vom großen Andrang nicht aus der Ruhe bringen. Sie schenken jedem Kunden ein Lächeln und ein offenes Ohr, sie beraten gerne. An diesem Samstag steht auch Petra Koch-Bodes im Laden. Die Fischsommelière gehört wie ihr Bruder Uwe Koch-Bodes zur fünften Geschäftsgeneration. Das 1860 vom Urururgroßvater der Geschwister, Franz Ludwig Bodes, gegründete Unternehmen ist das älteste und bekannteste Fischgeschäft in Bremen. Mit anderen Worten: F.L. Bodes ist eine Institution.
Mit Schuppen- und Krustentieren aufgewachsen
Petra Koch-Bodes ist mit Schuppen- und Krustentieren aufgewachsen. „Es ist meine Erziehung, von der ich zehre. Ich habe Fische schuppen gelernt.“ Dennoch schlug sie eine Weile andere berufliche Wege ein. Nach der Ausbildung zur Bürokauffrau ging sie dem Beruf zehn Jahre lang nach. Sie habe zwar die geregelten Arbeitszeiten geschätzt, „aber das Papier lächelt einen nicht an“, sagt sie. Die Fischexpertin liebt nach eigenen Worten den direkten Kontakt zur Kundschaft. Sie übernahm von ihrem Vater Peter den Einzelhandel, 2018 setzte sie ihrer Fischleidenschaft noch eine Krone auf und machte eine Fortbildung zur Fischsommelière. „Von der Materie Fisch kommt man eh nicht los“, sagt die 42-Jährige und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Uroma und Oma leiteten die Geschäfte
Dass Frauen die Geschicke leiten, hat in der Familie Koch-Bodes Tradition. Nachdem der Sohn des Gründers 1921 verstarb, übernahmen seine Frau Emma und Tochter Emmy das Geschäft. Emmy war die Urgroßmutter von Petra und Uwe Koch-Bodes.1960 zog Emmy in das neu gebaute Ladenlokal in der Bischofsnadel, wo es sich auch heute noch befindet. Als sie 1967 starb, führte Sohn Peter die Geschäfte weiter – später mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau Edda. Peter Koch-Bodes avancierte zum Grandseigneur des Fischs in Bremen, manche nannten ihn „Fisch-Papst“, andere eine „Instanz in der Fischwirtschaft“. Neben dem bestehenden Einzelhandel baute er den Großhandel auf. 1987 wurde dieser Bereich so groß, dass er auf den Großmarkt Bremen ausgelagert werden musste. Den Großhandel verantwortet seit 1995 Uwe Koch-Bodes: „Wir beliefern die Gastronomie und Fischhändler. Die Kunden kriegen das Komplettpaket. Das ist es, was einen Fachhändler ausmacht.“
Peter Koch-Bodes brachte den „Holländischen Matjes“ nach Bremen
Dem inzwischen 80 Jahre alten „Fisch-Papst“ Peter Koch-Bodes ist eine Delikatesse zu verdanken, die heute nicht mehr aus Norddeutschland wegzudenken ist: Er brachte vor fast 40 Jahren den „Holländischen Matjes“ nach Bremen. Die Firma bezieht die Salzheringe von einem Matjesproduzenten in Scheveningen, unweit von Den Haag. Deren schonende Verarbeitung macht in den Augen von Peter Koch-Bodes die besondere Qualität aus.1983 initiierte er erstmals zum Saisonstart der Spezialität in Bremen die „Tour de Matjes“, die er 36 Jahre lang mitorganisierte. Das Fest leitete traditionell den deutschlandweiten Verkaufsstart ein. Peter Koch-Bodes ist des Matjes nach all den Jahrzehnten nicht überdrüssig: „Am liebsten esse ich Matjes mit Schwarzbrot.“
Frikadellen aus Schellfisch
Offen sein für Neues, das liegt auch im Naturell von Tochter Petra. Sie hat schon manchen Fisch neu für sich entdeckt, etwa den Schellfisch. Den mochte sie früher nicht. „Immer musste Schellfisch am Lager sein“, erinnert sie sich an früherer Zeiten. Ihre Mutter Edda habe darauf bestanden: „’Am Freitag, da wollen die Leute Kochfisch.‘“ Der Fisch sei aber „fies gesäuert und zerkocht“ auf dem Teller gelandet, so wie es damals üblich war. Der „getötete Geschmack“ ist längst Vergangenheit. Heute landet Schellfisch in der Bodeschen Ladenküche im Dampfgarer. Serviert mit Senfsoße gehört Schellfisch zu den Dauerbrennern auf der Speisekarte an der Bischofsnadel: Das Geschäft ist bei vielen Bremer Fischliebhabenden fester Mittagspausen-Anlaufpunkt. Der Koch verarbeitet den fettarmen, mit dem Kabeljau verwandten Schellfisch aber auch zu Frikadellen. „Die gibt es tatsächlich nur bei uns“, sagt Petra Koch-Bodes.
Die Entdeckung der Sardine
Auch mit Sardinen konnte sie einst nicht viel anfangen. „Als Kind musste man Sardinen von rechts nach links packen“, erinnert sie sich. Der Inhalt der günstigen Konserven sei nicht gerade hochwertig gewesen. Dann aber probierte sie Sardinen während einer Reise und kam auf den Geschmack: Länder wie Spanien, Italien und Portugal gelten als Hochburgen der Sardine. Inzwischen finden die Kunden auch im Bremer Geschäft zahlreiche Qualitätssorten. „Mein Sardinensortiment wird immer größer“, sagt Koch-Bodes. „Konserven sind definitiv etwas, wo wir Deutschen hinterherhängen.“ Die Verkäuferinnen und Verkäufer beschäftigen sich intensiv mit den verschiedenen Sorten, damit sie die Kunden beraten können. „Jeden Samstag sucht sich ein Verkäufer eine Dose aus. Man lebt am Ende auch von Ehrlichkeit“, unterstreicht die Unternehmerin.
Einzige deutsche Fischmesse
Dass F.L. Bodes in Bremen seit inzwischen 160 Jahren Erfolg hat, ist kein Zufall. „Bremen ist ein prima Pflaster für den Fischverkauf“, sagt Imke Zimmermann von der Messe Bremen. „Hier wird am zweitmeisten pro Kopf verkauft. Überhaupt ist das Land eine Fischmetropole.“ Die Bremer kauften im Jahr 2019 6,7 Kilogramm pro Kopf, die Hamburger 6,8 Kilogramm. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt waren es 5,2 Kilogramm.
Bremen ist im Zwei-Jahres-Rhythmus Schauplatz der Fachmesse „fish international“, der einzigen professionellen deutschen Fischmesse. Die nächste Auflage ist im Februar 2022 geplant. Zur jüngsten Messe Anfang 2020 strömten mehr als 10.000 Fachbesucher. Die Geschichte der Fachausstellung ist – wen wundert‘s – ebenfalls eng mit Peter Koch-Bode verbunden. Der Ehrenvorsitzende des Fachverbandes „Der Fischfachhandel“ war maßgeblich an der Geburtsstunde der Messe beteiligt, die 1988 in der damaligen Bremer Stadthalle Premiere feierte.
Fotos: Carmen Jaspersen Text: Berit Böhme