Alltagstauglich oder für die große Aida-Bühne: Im Bremer Atelier von "Hats on stage" werden Hüte für jede Gelegenheit handgefertigt. Modistin Kay Schmitz gehen die Ideen nicht aus – ob für Theater, Shows auf Kreuzfahrtschiffen, Bräute oder Radfahrer.
Ganz oben auf dem Regal thront ein signalroter Zylinder. Es ist der Prototyp des Huts, den Schauspieler Dominique Horwitz in der Hamburger Show „The Right Bullets“ trug. Daneben, darunter im Regal: Hüte. Ausschweifende und dezente Filzkreationen, feine Brauthüte, kräftig grün karierte Prinz-Heinrich-Mützen oder feine Damenhütchen wie die törtchengroßen „Cupcakes“, die mit aufgesetzten Orangenscheiben- oder Erdbeerimitaten um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlen. „Faszinators“ nennt sich der festlich-flippige Hauptschmuck, den es in verschiedensten Varianten gibt. Ähnlich ausgefallen war ein Kundenwunsch, der Modistin Kay Schmitz eindrücklich in Erinnerung blieb: ein Hut aus echtem Gemüse. Frisch hergestellt, um beim Hamburger „Derby“-Pferderennen seinen großen Tag zu haben.
Hutmacher gibt es nicht mehr viele
Ein Hut – das ist mehr als ein Accessoire. Er schützt bei Sonne, Wind und Wetter, mit ihm lässt sich sozialer Status ausdrücken. Für manchen ist er ein Markenzeichen. Doch passgenaue Hüte fertigt in Deutschland inzwischen nur noch eine überschaubare Zahl von Modistinnen und Modisten – so nennt sich der Beruf der Hut- und Mützenmacher seit zehn Jahren. Die Zahl der Auszubildenden illustriert, dass das Traditionshandwerk heute eine Nische bedient: Bundesweit gab es 2013 nur 48 Auszubildende. Wer heute Hut trägt, hat ihn sich meist von der Stange geholt. Wer zur Modistin – der Beruf ist weiblich dominiert – geht, sucht Individuelles oder handwerkliche Qualität. „Der Markt ist sehr klein“, bestätigt Kay Schmitz, die auf über 25 Jahre Berufserfahrung zurückblickt.
Die 47Jährige hat den Beruf von der Pieke auf gelernt, ihren Meister gemacht, war am Musical „Phantom der Oper“ in Hamburg und am Theater Bremen angestellt, bevor sie sich 2008 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Marcus Pick mit Hüten für die Bühne selbstständig machte: „Hats on stage“ heißt ihr Unternehmen. „Ich wollte etwas Neues machen. Damals wurde ich 40 und dachte: Wenn ich mich noch selbstständig mache, dann jetzt.“
Theater, Zirkuskünstler und Varietés fragen seither in dem kleinen Souterrain-Atelier an. Der aus dem Zirkus Krone bekannte Clown Pierino trägt Hut von „Hats on stage“, ebenso Sänger Flo Mega. Auch „Aida Cruises“ setzen auf die Bremer, wenn es um fantasievollen Kopfschmuck in ihren Bühnenshows auf den Kreuzfahrtschiffen geht. Für die Hutmacher geht es neben der Optik auch um Funktionalität: „Technische Aspekte müssen beim Entwurf berücksichtigt werden“, erklärt Marcus Pick. Darsteller müssen oft blitzschnell die Kostüme wechseln. „Das muss mit einem Handgriff funktionieren.“ Hüte für Tänzer müssen zudem auf die Choreografie abgestimmt sein, um Bewegungen nicht zu behindern.
Hüte müssen passen – zu Kopf und Persönlichkeit
Dass „Hats on stage“ inzwischen auch für Privatleute entwirft, ist der Nachfrage geschuldet. Das Atelier ist von der Straße aus einsehbar, Passanten können beobachten, wie Stoffmützen genäht und Filz- oder Strohhüte mit Hilfe von Hitze und Feuchtigkeit in Form gebracht werden. Die Aufträge für Alltag und Privatgebrauch seien eine willkommene Abwechslung, sagen Schmitz und Pick. Hier komme es auf andere Dinge an. Was ein Hut vermag, zeige sich erst beim Tragen, so Schmitz: „Man kann mit einem Hut auffallen, gleichzeitig kann man sich darunter verstecken.“
In Bremen, das haben sie schnell festgestellt, wollen es Hutfans vor allem pragmatisch: Hüte müssen auf dem Fahrrad getragen und in die Tasche gesteckt werden können. Kay Schmitz setzt einen Filzhut aus der Reihe „Happy“ – eine Mischung aus Hut und Käppi – auf. „Dazu inspiriert Bremen.“ Praktisch, mit Pfiff und „warm über den Ohren“, betont Marcus Pick.
Autorin: Astrid Labbert
Mehr unter: www.hatsonstage.eu
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