Wurst ist nicht gleich Wurst. Vor allem, wenn kein Fleisch drin ist. Der Bremerhavener Fischhändler Patrick Fiedler hat eine Bratwurst aus Lachs und Kalmar entwickelt. Allerdings schmeckt sie nicht nach Fisch. Ein Paradox? Nein – das kulinarische Experiment ist ein Teil eines preisgekrönten Handels- und Gastronomiekonzeptes.
Fisch ist nicht nur lecker, sondern auch gesund. „Wer fit sein will, sollte viel häufiger Fisch an Stelle von Fleisch essen“, sagt der Bremerhavener Fischhändler Patrick Fiedler. Um das konsequenten Fleischessern zu erleichtern, hat sich der 27-jährige etwas Besonderes ausgedacht: In der kommenden Grillsaison will er eine in Bremerhaven entwickelte Fischbratwurst bundesweit auf den Markt bringen.
Zugegeben, die Idee, Fisch in die Wurst zu geben, ist nicht ganz neu. „Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es solche Produkte“, weiß Patrick Fiedler. Im Gegensatz zu Fleisch gab es Fisch damals im Überfluss und in Bremerhaven sogar die Deutsche Fischwurstfabrik GmbH. Über die Wirtschaftswunder-Jahre geriet die Wurst zunächst in Vergessenheit. Wiederbelebt wurde die Idee von Fiedlers Vater Hans-Joachim, der 1988 im heutigen Schaufenster Fischereihafen einen Groß- und Einzelhandel für Meeresdelikatessen gründete. Damals brachte Fiedler senior den „Lachsknacker“ heraus; eine Wurst, die im Ofenrauch reift und deutlich nach Fisch schmeckt. Die Delikatesse findet auch heute noch ihre Abnehmer – nicht nur an der Küste.
Geschützte Rezeptur
Was Jungunternehmer Patrick Fiedler jetzt auf den Markt bringen will, unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den historischen Vorgängern und von der Entwicklung seines Vaters. „Bisher hatte Fischwurst auch Fischgeschmack. Das war bewusst so gewollt“, sagt Patrick Fiedler. „Aber es gibt ganz viele Menschen, die zumindest in der Wurst diesen Geschmack nicht erwarten und deshalb auch nicht mögen.“ Gemeinsam mit Wurstexperten aus der Fleischwarenbranche suchte er nach einer Zutatenmischung für den traditionellen Wurstgeschmack. „Lachs und Kalmar (Tintenfisch) ergeben in der Mischung genau die richtige Grundlage für ein Produkt, das sich geschmacklich kaum von der fleischigen Variante unterscheidet“, so Fiedler.
Eine Wurst aus Fisch, die nicht nach Fisch schmeckt? Was im ersten Moment befremdlich klingt, hat für Patrick Fiedler einen einleuchtenden Hintergrund. Denn auf die Idee kam er nach diversen Krisen rund um Fleischprodukte, die das Vertrauen der Verbraucher nachhaltig erschütterten. „Gegenüber herkömmlichen Produkten bietet diese Wurst gesundheitliche Vorteile“, ist er überzeugt. Fisch ist leichter, bekömmlicher, enthält wertvolle Substanzen wie die Omega3-Fettsäure. „Unsere Wurst ist gezielt auf Menschen zugeschnitten, die das Grillen nicht missen möchten, sich aber zugleich gesund ernähren wollen“, so Fiedler. Das Produkt kommt auch ohne Geschmacksverstärker und Konservierungsprodukte aus.
Konkurrenzlos steht er mit der Fischwurst nicht da: In Süddeutschland produziert ein Unternehmen bereits seit 2000 eine ganze Reihe von Wurstarten aus Fisch, die nicht nach Fisch schmecken. Allerdings werden dort Süßwasserfische als Basis genommen, die nahezu keinen Eigengeschmack haben. Fiedler dagegen hat mit Seewasserfischen experimentiert und schließlich mit seiner Mischung aus Lachs und Kalmar eine neutrale Geschmacksnote gefunden. Die Rezeptur lässt er sich gerade schützen.
„Wir möchten den Wurstmarkt revolutionieren“, ist die Devise Fiedlers, der damit gewissermaßen an eine Tradition seiner Familie anknüpft. Denn seine beiden Brüder Jan Frederick und Jan-Henrik sowie Vater Hans-Joachim haben in den vergangenen Jahren einiges getan, um der sehr traditionell aufgestellten Fischbranche neue Impulse zu geben. Als 1992 das Schaufenster Fischereihafen als erste große Touristenattraktion in Bremerhaven gegründet wurde, etablierte Fiedler senior dort eine gläserne Fischproduktion: „Wir verarbeiten ein natürliches Lebensmittel mit viel Können und Handarbeit“, sagt er, „da kann uns jeder auf die Finger schauen.“
Die von Fiedler propagierte Offenheit war die persönliche Antwort auf die Nematodenkrise, die Ende der 1980er Jahre die gesamte Fischwirtschaft an den Rand des Ruins brachte. „Wir wollen deutlich machen, dass wir nichts zu verbergen haben, dass wir mit gesunden und sauberen Lebensmitteln arbeiten“, sagt Hans-Joachim Fiedler.
Gläserne Produktion
Lange Zeit blieb er der einzige Produzent, der sich im Schaufenster Fischereihafen ansiedelte. Überzeugt von der guten Idee hinter der Touristenattraktion engagierte sich Fiedler schon frühzeitig für das Projekt. Vor die gläserne Produktion setzte er ein Einzelhandelsgeschäft, das für seine aufwendige Gestaltung mittlerweile mehrfach preisgekrönt wurde. Der Laden ist mit historischen Fischerei-Utensilien, Heringsfässern und weiteren Exponaten ausgestattet. Aus dezent versteckten Lautsprechern beschallen Originalaufnahmen aus einer Fischauktion das Geschäft. „Wir verkaufen nicht nur einfach Fisch, sondern vermitteln unseren Kunden auch ein besonderes Erlebnis“, sagt Patrick Fiedler, der für den Einzelhandel verantwortlich ist.
Das besondere Erlebnis hat auch sein Bruder Jan-Henrik im Blick, der in dem Familienunternehmen für die Gastronomie zuständig ist. Drei Fischrestaurants, ein Feinkostgeschäft mit angeschlossenem Café und ein nachempfundenes Fischerdorf gehören zu dem kleinen Imperium. Gemeinsamer Nenner aller geschäftlichen Aktivitäten ist die aufwendige Gestaltung mit Originalexponaten. „Mancher Gast denkt zunächst, dass das hier ein Museum ist“, lacht Jan-Henrik Fiedler, „tatsächlich versuchen wir ein bisschen von dem alten Bremerhaven zu bewahren; aber hinter der Kulisse sind wir ein ganz modernes Geschäft“, versichert der Gastronomie-Chef. Eines, das auch auf Innovationen wie die Fischbratwurst ohne Fischgeschmack setzt.
Autor: Wolfgang Heumer
Mehr unter: www.fiedlers-fischmarkt.de
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