Ist Bremen provinziell? Wahre Größe…

Editorial

PANORAMA Bremen-Herausgeber Thomas Grziwa (Foto: Myriam Nöding)

Diese Frage quält manchen Bremer mitunter doch sehr. Wie oft mag der eine oder andere Hanseat neidisch auf die vermeintlich große Welt mit ihren berühmten Metropolen geschielt haben. Wie oft hat so mancher demütig seinen Blick nach Rom, Paris, Peking, London oder New York gerichtet. Müssen wir uns gegen diese schier übermächtig klingenden Namen nicht wahrlich klein vorkommen?

Städte, die sogar in der Weltliteratur eine tragende Rolle spielen, entwickeln eben ein aufmerksamkeitsheischendes Eigenleben. Ihr Name wird im Laufe der Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte zur romantischen Legende, ihr reales Stadtbild überlagert sich mit unvergesslichen Roman- und Film-Szenen. So gesehen stehen wir Hansestädter offenbar nicht in der ersten Reihe. Nur Werder Bremen spielte Jahre lang in der „Königsklasse“, der Champions League des europäischen Spitzenfußballs. Aber ist Bremen als Stadt nur Regionalliga? Sind wir etwa die „Nobodys“ , die in Sack und Asche rumlaufen müssen? Keineswegs. Denn Größe ist kein Wert an sich – das sollte seit dem Saurier-Sterben vor Jahrmillionen bekannt sein.

Größe kann aber durchaus „sexy“ sein. Große Frauen beispielsweise,  wie sie der „große“ Fotograf Helmut Newton erotisch in Szene gesetzt hat, wirken ausgezogen besonders anziehend. Ein großer Torwart hat das Zeug, ein überragender Spieler zu werden. Werders Trainer-Legende Otto Rehhagel hat das klassisch in Worte gekleidet: „Ein Meter neunzig kannst du nicht lernen.“

Aber Größe hat auch Schattenseiten – wenn wir ehrlich sind. Mega-Cities mit -zig Millionen Einwohnern und wuchernden Vorstädten lassen den Weg von A nach B häufig zur Last werden. Mieten werden unerschwinglich. Das Leben dort ist nur für den ein Zuckerschlecken, der mit prall gefüllter Börse sich seinen Komfort erkauft. Wer Bremer befragt, wie sie ihre Stadt sehen, bekommt häufig diese Antwort: „Hier kann man gut leben.“ In diesem kurzen Urteil schwingt alles mit, steckt alles drin, was die provozierende Frage nach der Provinzialität im kleinsten Bundesland relativiert.

Provinz hieß in der römischen Antike ursprünglich einfach nur Verwaltungsbezirk. Erst später erhielt dieser politische Sachbegriff seine bekannte abfällige Beimengung: Provinz wurde zu dem rand- und rückständigen Gebiet, das nicht moderne Metropole war. Heute sind räumliche Grenzen überwindbar – Reisen und internationale Kommunikation schaffen neue Dimensionen. Für mich entsteht deswegen so etwas wie „Provinz“ vor allem im Kopf. Wer nicht über den berühmten Teller-Rand blicken kann, der ist – so gesehen – tatsächlich „provinziell“ .

PANORAMA-BREMEN-Herausgeber Thomas Grziwa (Foto: Myriam Nöding)
PANORAMA-BREMEN-Herausgeber Thomas Grziwa (Foto: Myriam Nöding)

Herzlichst,

Ihr Thomas Grziwa