Sport im weltweiten Dienst von Frieden und Entwicklung: Das ist seit acht Jahren das Metier Willi Lemkes, des einstigen Werder Bremen-Managers und Bremer Politikers. Ende des Jahres soll Schluss sein als UN-Sonderberater: Lemke geht auf Abschiedstour.
Ende 2016 scheidet UN-Generalsekretär Ban Ki-moon aus dem Amt. Mit dem Südkoreaner verabschiedet sich auch ein Deutscher: UN-Sonderberater Willi Lemke. Er ist Ban Ki-moon direkt unterstellt. Der oder die neue UN-Generalsekretärin – im Gespräch sind auch einige Frauen – werde einen eigenen Stab zusammenstellen, sagt der 70-jährige Bremer. „Alles andere wäre völlig unüblich. Ich gehe davon aus, dass am 31. Dezember 2016 auch für mich definitiv Schluss ist.“ Damit enden acht Jahre, in denen er als UN-Repräsentant, Vermittler und Anwalt für den Sport im Dienst von Frieden und Entwicklung um die Welt reiste, in denen er große und kleine Projekte voranbrachte. Mit welchem Fazit?
Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt hatte er noch gesagt, er sei – verglichen mit einem Marathon –, bei 5.000 Metern. Und jetzt? „Bei Kilometer 38 vielleicht. Es geht in den Endspurt“, sagt der passionierte Langstreckenläufer, der nach wie vor in seiner Freizeit die Laufschuhe schnürt, wenn es die Reisen erlauben zwischen der Heimat Bremen, dem Büro in Genf sowie den Terminen in New York und sonst wo auf der Welt. „Ich konnte sehr viel umsetzen, wenn auch nicht alles“, lautet sein vorläufiges Resümee. Bei allem Optimismus, Tatendrang und großer Überzeugungskraft: „Die Möglichkeiten eines UN-Sonderberaters sind begrenzt“, räumt er ein.
Was Sport leisten kann, ist kaum messbar
Als Lemke sein Amt antrat, galt es, die Milleniums-Entwicklungsziele der UN – darunter die Bekämpfung von Armut und Hunger, von Aids und Kindersterblichkeit – zu erreichen. Der Sport sollte dazu beitragen. Anders als im Leistungssport, in dem Titel und Rekorde Maßeinheiten des Erfolgs sind, ist es ungleich schwerer zu messen, welchen Anteil Sport an gesellschaftlichen Entwicklungen hat. Greifbare Erfolge habe es beispielsweise bei der Aids-Prävention gegeben, so Lemke. Sie wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut: „Das passiert in vielen Teilen der Welt, dazu haben wir einen wichtigen Beitrag geleistet.“ In Sportprojekten, beispielsweise in Afrika, werden seit Jahren Trainingseinheiten mit der Aufklärung über Aids verbunden. Lemke hat zudem für viele lokale Projekte geworben: von der „Dandora Dumpsite Rehabilitation Group“ in Nairobi, das Kindern eine Perspektive gibt, die auf der Müllhalde leben, bis hin zum Projekt „Football for all Vietnam“, das versucht, über den Sport Kinder, die als Aids-Infizierte stigmatisiert sind, zurück in die Gemeinschaft zu holen.
Dass der Sport im Kleinen Großes bewirken kann, ist Lemkes Grundüberzeugung. Mit ihr hat er den Job angetreten, sie zieht sich durch die Biografie des einstigen Sportstudenten und heutigen Sportfunktionärs. Immer wieder hat er gesehen, wie Sport das Leben eines Menschen umkrempeln kann, wie er Respekt und Dialog initiieren kann. Deshalb hat Lemke als UN-Sonderberater das „Youth Leadership Programme“ auf den Weg gebracht und forciert: „Das ist das Flaggschiff unseres Büros.“ Seit 2012 besuchten seinen Angaben zufolge knapp 700 junge Menschen aus 79 Ländern, die in lokalen Sportorganisationen sehr aktiv sind, die internationalen Camps. Ziel des Programms ist es, ihnen zu zeigen, wie sie durch Sport Werte vermittelt können. Das Programm ermöglicht ihnen so auch, trotz häufig geringer Schulbildung persönliche Fähigkeiten und Talente weiterzuentwickeln. Dass sie später in ihren Gemeinden eine Vorbildfunktion übernehmen, ihr Wissen weitertragen und so den sozialen Wandel in ihren Ländern mit vorantreiben, ist die Hoffnung. „Das ist etwas sehr Konkretes“, ist Lemke überzeugt. „Solche Projekte zeigen, wie die verabschiedeten Resolutionen in die Tat umgesetzt werden können. Sport ist ein Mittel zur Umsetzung, ein Katalysator.“
In seiner Amtszeit hat Lemke aber auch erfahren müssen, dass die Frieden stiftende Wirkung des Sports in politisch verfahrenen Situationen sehr gering sein kann. „Es gibt jede Menge Grenzen. Wenn irgendwo ein Krieg ausbricht, dann können Sportler und Sportverbände wenig ausrichten. Dann muss zunächst eine politische Lösung zur Konfliktbewältigung gefunden werden“, sagt Lemke. Insbesondere in Israel und Palästina sowie im geteilten Korea hat er sich als Vermittler hinter den Kulissen engagiert. Bewegt habe sich – nichts.
Es sind diese Erfahrungen, die zu einem gemischten Fazit führen: „In vielen Bereichen bin ich bestätigt worden. Aber sowohl in Israel als auch in Korea hätte ich mir mehr Fortschritte gewünscht. Wir haben versucht, über den Sport Dialoge zu starten, aber leider nicht die Nachhaltigkeit erreicht, die ich mir erhofft hatte.“ Hier werden es wohl die kleinen Handlungen sein, die dem 70-Jährigen positiv in Erinnerung bleiben. Zum Beispiel in Doha, als ein gesamtkoreanisches Doppel in einem Tischtennis-Turnier an den Start ging. „Es gibt viele kleine Ansätze“, sagt Lemke, „so wie das gesamtkoreanische Doppel ein kleines Symbol war, aber noch nicht der Durchbruch. Die politischen Umstände sind zu schwierig.“
Noch einmal Olympia zum Abschied
Jetzt hat Wilfried Lemke den Endspurt angetreten. Er sagt, er wolle die Dinge abschließen. Sein Terminkalender wird bis Jahresende voll bleiben und ihn erneut rund um den Globus schicken. „In diesem Job weiß man nie genau, was einen in der kommenden Woche erwartet“, sagt er am Telefon in seinem Büro in Bremen. „Die Zeit ist vergangen wie im Flug.“ Immer wieder warteten spannende Herausforderungen. Vor kurzem war er noch in Nepal, es folgte eine Konferenz im chinesischen Macau, um über Inklusion und Bildung im Sport zu sprechen. „Das bringt mir unglaublich viel Spaß.“ Ein letztes Mal hat er im Sommer bei den olympischen und paralympischen Spielen in Brasilien die UN repräsentiert. Auch das waren Höhepunkte in seinem letzten Jahr als UN-Sonderbotschafter. Auch die Youth Leadership Camps hat er noch einmal besucht: „Ich wollte mich überall verabschieden.“
Und was kommt 2017? Ein Willi Lemke, der die Füße hochlegt, ist kaum vorstellbar. Auch der 70-Jährige winkt ab. Genaueres sagt er zwar nicht, aber eines weiß er schon jetzt: Die unzähligen, zähen Stunden im Flieger wird er nicht vermissen.
Autorin: Astrid Labbert
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