Bremer Umweltforscher überwachen mithilfe eines weltweit einzigartigen Sensors Methan aus Deponien und Kohleabbau.
Zum Klimawandel trägt vor allem das vom Menschen verursachte Treibhausgas Kohlendioxid bei. Die Nummer zwei unter den Klimagasen ist unbestritten Methan. Das Institut für Umweltphysik an der Uni Bremen erforscht deshalb von Menschen verursachte und natürliche Methanquellen. Für die Überwachung von Mülldeponien oder Kohleminen wurde ein weltweit einzigartiger Sensor entwickelt. Gerade wird an einem verbesserten Folgemodell gearbeitet, das internationales Interesse hervorruft.
Methan trägt wesentlich zum Klimawandel bei
Ist vom Klimawandel die Rede, wird vor allem der vom Menschen verursachte Kohlendioxid-Ausstoß angeprangert. „Um den Klimawandel aufzuhalten, müssen wir die CO2-Emissionen reduzieren“, sagt Dr. Heinrich Bovensmann vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen. Doch auch Methan trägt ganz wesentlich zur globalen Erwärmung bei. Das Treibhausgas entsteht in der Massentierhaltung, in Klärwerken, Mülldeponien sowie bei der Kohle-, Erdgas- und Ölförderung, aber auch in Moor- und Feuchtgebieten. Seit rund zehn Jahren beobachten Bremer Umweltphysiker wie Bovensmann in den Methan-Satellitendaten weltweit einen kontinuierlichen Anstieg des Gases in der Atmosphäre. „Dazu kommt, dass Methan 25- bis 30-mal so klimawirksam wie Kohlendioxid ist“, sagt Bovensmann.
Spielraum erkaufen für den CO2-Ausstieg
Die durchschnittliche Verweildauer von Methan in der Atmosphäre beträgt zehn Jahre – im Gegensatz zu Kohlendioxid, das viele hundert Jahre verbleibt. „Wenn wir jetzt Maßnahmen zur Reduzierung von Methan ergreifen, können wir also kurzfristig Erfolge erzielen. Damit könnten wir uns einen kleinen Spielraum erkaufen, um dann langfristig auch ganz aus CO2 auszusteigen“, sagt Heinrich Bovensmann. An diesen Gedanken knüpft das Institut für Umweltphysik mit seiner Forschung zu von Menschen verursachten sowie natürlichen Methanquellen an. Um diese Quellen genau zu kennen und bewerten zu können, müssen sie gemessen und überwacht werden. Da Methan ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas ist, werden dafür spezielle Methoden benötigt. Methanaustritte können mithilfe von Satellitensensoren aus dem All, per Bodenmessstation oder Flugzeug beobachtet werden.
Einzigartiger Sensor in Bremen entwickelt
Am Bremer Institut für Umweltphysik wurde schon vor zwölf Jahren zusammen mit dem GeoForschungsZentrum Potsdam der Sensor MAMAP („Methane Airborne Mapper“) entwickelt, der auch heute noch weltweit einmalig ist. Der Sensor – bestehend aus zwei Kästen und so groß wie Kühlschränke – wird am Boden von Forschungsflugzeugen angebracht. „Die Optik ist zum Erdboden gerichtet“, so Bovensmann. Wird damit eine Mülldeponie oder eine Ölbohrfeld überflogen, kann der Sensor die Methan-Konzentration zwischen Erdboden und Flugzeug erfassen. Das Gerät erkennt mithilfe seines Spektrometers die unsichtbare Methanwolke und gibt sie bildlich wieder. Aus den gewonnenen Daten können schließlich die Emissionen detailliert ermittelt werden.
Bremer Forscher an Messung im polnischen Katowice beteiligt
Zum Einsatz kam der Sensor zuletzt im Sommer 2018 bei der Erforschung der größten Methanquelle Europas, dem Kohlerevier rund um Katowice in Polen. Katowice zählt laut Weltgesundheitsorganisation WHO zu den schlimmsten von Smog betroffenen Städten in Europa. Forscher aus ganz Europa schauten sich mit vier Flugzeugen, acht Messfahrzeugen und zwei Satelliten die Folgen des Bergbaus in Hinblick auf die Methanverteilung an. „Beim Steinkohleabbau entsteht Grubengas mit einem hohen Anteil an Methan“, sagt Bovensmann. „Dieses Gas wird in die Atmosphäre gelassen. Manche Grubenbetreiber erfüllen dabei gerade den Mindeststandard zum Schutz der Bergarbeiter, andere geben sich etwas mehr Mühe und versuchen, dass Grubengas zur Energiegewinnung zu nutzen.“ Ziel des Projekts war es, wie in einem Puzzle die einzelnen lokalen Beiträge zu den Methanemissionen der Region zusammenzusetzen.
Bremer Forscher weisen in Kalifornien Leckage in Mülldeponie nach
Auch in Kalifornien wurde der Sensor aus Bremen bereits eingesetzt. 2014 wurde dort die Methankonzentration über vier Großdeponien und oberhalb von Erdölfeldern vermessen. „Wir wurden von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA eingeladen, MAMAP auf einem amerikanischen Forschungsflugzeug zu fliegen, das war etwas ganz Besonderes“, sagt Bovensmann. Der Einsatz lohnte sich: „Wir konnten den Nachweis erbringen, dass von einer Deponie große Mengen Methan freigesetzt wurden.“ Auch über einem Ölfördergebiet konnte eine „Methanwolke“ entdeckt werden.
Nachfolgegerät soll in Ibbenbüren getestet werden
Seit eineinhalb Jahren arbeiten die Wissenschaftler am Institut für Umweltphysik an einem Nachfolger von MAMAP. „Wir hoffen, dass der Prototyp Ende des Jahres in die Luft gehen kann“, unterstreicht Heinrich Bovensmann. Der Testflug soll in Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen stattfinden, wo eines der letzten Steinkohlebergwerke in Deutschland betrieben wurde. „Zu den aktiven Zeiten gab es eine hohe Methan-Emission, die wir mit MAMAP vermessen konnten. Obwohl es inzwischen geschlossen ist, erwarten wir immer noch relevante Methanwerte.“
Neuer Sensor wesentlich effektiver als der alte
Der Vorteil des neuen Sensors im Vergleich zum alten sei, dass er Methanfelder schneller und effektiver bestimmen könne. „Beim jetzigen System misst der Sensor nur den Bereich direkt unter dem Flugzeug. Der Flieger muss deshalb immer exakte Bahnen fliegen. Bei 50 mal 50 Kilometern dauert das rund drei Stunden.“ Der neue Sensor kann dagegen eine ganze Spur rechts und links neben dem Flugzeug vermessen. Statt drei Stunden benötigt der Flieger dann für dieselbe Fläche nur noch eine Viertelstunde. Da für den Erfolg der Flüge Sonnenschein benötigt wird, können nun auch kleinere wolkenlose Zeitfenster genutzt werden.
MAMAP 2D soll in Kanada und in den Tropen zum Einsatz kommen
Die endgültige Fertigstellung des neuen Geräts mit dem Namen MAMAP 2D ist für 2021 geplant. Dann soll es auf dem deutschen Höhenforschungsflugzeug „Halo“ in Kanada und in den Tropen zum Einsatz kommen. „In Kanada geht es um die Frage, wie Permafrost auf den Klimawandel reagiert. Beim Schmelzen des Eises und Auftauen des Bodens kann sehr viel Methan freigesetzt werden“, erklärt der 53-jährige Bovensmann. In den Tropen sollen Feuchtgebiete vermessen werden. „Durch den Klimawandel nehmen Methan-Emissionen von tropischen Feuchtgebieten zu, so dass hier eine Verstärkung des Klimawandels in Gang gesetzt werden könnte.“
Sensor kann auch Kohlendioxid-Konzentration ermitteln
Bei all der Methanforschung wird am Bremer Institut für Umweltphysik der größte Klimakiller Kohlendioxid nicht vergessen. Immerhin ist in Deutschland seit 1990 insbesondere durch das Ende des Steinkohlebergbaus bundesweit die Methanemission um die Hälfte zurückgegangen. „Der Ausstieg nutzt aber nichts in Bezug auf Kohlendioxid-Emissionen“, sagt Bovensmann. Da passt es, dass der Sensor MAMAP auch in der Lage ist, CO2-Konzentrationen zu ermitteln. Er ist damit ein wichtiger Baustein für die neue europäische CO2-Satellitenmission, die im Jahr 2025 starten soll. Die Europäische Weltraumorganisation ESA will mit ihr Umwelt- und Klimasünder aufspüren. Internationale Klima-Abkommen sollen so künftig besser überprüfbar werden. Die ursprüngliche Idee und das Konzept der Umweltmission „CarbonSat“ kamen von den Bremer Umweltphysikern.
Text: Janet Binder Fotos: Focke Strangmann